Seit den Ausgrabungen im Preußenpark um die Jahrtausendwende ist Vielen sicher bekannt, dass es im Ludwigsfelder Gebiet bereits zu früheren Zeiten eine Ansiedlung gegeben hat, die später aber verfallen (wüst geworden) ist. Überreste der Siedlung entdeckte man jedoch schon einige Zeit früher. Anfang der 30er-Jahre fand ein Anwohner beim Graben nach Kies in seinem Garten eine Reihe von Skeletten, die später archäologisch untersucht wurden. Eine Beilage des Teltower Kreisblattes berichtete ausführlich über die Fundstelle und die Funde. Der Artikel beschreibt auch die Siedlung Dahmsdorf und stellt einige Vermutungen an, warum sie später aufgegeben wurde. Hier ein Auszug aus dem Bericht:
…Wir stehen auf unserer Fundstelle mitten in der Gemarkung des wüsten Dorfes Dahmsdorf, das 1375 als „Danstorp“ im Landbuch Kaiser Karls IV. zwar erwähnt wird, aber ohne nähere Angabe von Bauernstellen und Abgaben. 1413 und 1452 erscheint der Name noch einmal ein Urkunden, aus denen hervorgeht, dass Dahmsdorf zu den Gütern gehörte, welche auf der sogenannten „hohen oder deutschen“ Seite von Zossen lagen und welche die von Torgows auf Zossen von den brandenburgischen Markgrafen zu Lehen erhalten hatten. 1472 wird das Dorf einwandfrei als wüst bezeichnet, wahrscheinlich ist es aber schon viel früher verödet. Über die weitere Geschichte der Siedlung, besonders über den Versuch Friedrichs des Großen, das Dorf wieder aufleben zu lassen, ist das Nötige bei F i d i c i n und S p a t z nachzulesen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass Dahmsdorf wie andere Wüstungen das Teltow (Melwendorf, Diepensee, Birkholz) um 1400 herum ausgestorben ist. Setzt man also die Entstehung des deutschen Dorfes in den Anfang des 13. Jahrhunderts, so mag es nur rund 200 Jahre bestanden haben.
„Es lag“, wie F i d i c i n sich ausdrückt, „an der Straße von Saarmund nach Zossen, wo dieselbe von der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn durchschnitten wird“. Und er fügt die interessante Mitteilung hinzu: „Noch wird der Ort, neben der Landstraße und einem Pfuhle, bezeichnet, wo die Kirche des alten Dorfes stand, dessen Ruinen zu neueren Bauwerken verwandt worden sind. Auch wird die Stelle noch nachgewiesen, wo der Kirchhof lag, auf dem sich beim tieferen Aufgraben noch Totengebeine vorfinden.“ Es scheint mir sicher zu sein, dass wir mit unseren Bestattungen im Göhrmann‘schen Garten diesen selben Friedhof angeschnitten haben, den F i d i c i n vor und 70 Jahren erwähnt hat, und dass es wirklich der Bestattungsplatz jener Siedlung war, die, wie G l e y richtig gesehen hat, in Form eines echten deutschen Angerdorfes mit Teich und Kirche in der Mitte sich an der alten wichtigen Straße von Saarmund nach Zossen hinzog. Die schöne alte Linden- bzw. Kastanienallee gibt heute noch ganz deutlich die Längserstreckung des Dorfes an, und allenthalben auf den Grundstücken rechts und links finden sich seine Spuren in Gestalt von steinernen Hausfundamenten, Scherben und anderen Siedlungsresten. Und gerade die Lage an dieser für die frühere Kolonisationszeit so wichtigen Straße in Verbindung mit dem deutschen Namen und der Dorfform beweist, dass es sich um eine deutsche Gründung handeln muss. Selbst für die etwaige Umsiedlung eines ehemaligen wendischen Ortes haben sich keine Anzeichen ergeben, wie denn auch die Lage auf der Höhe der wendischen Sitte ganz widerspricht. Saarmund und Zossen waren um 1200 zwei wichtige Einfallstore in den solange den deutschen Machthabern, aber nicht so ganz deutschen Siedlern verschlossenen alten Teltow; und wenn wir annehmen müssen, dass die Burg von Saarmund der Stütz- und Ausgangspunkt der askanischen Fürsten für die Erschließung und Inbesitznahme des Teltow gewesen ist, dann muss auch die Straßenführung von hier ausgegangen sein. Von hier zog sich, wie W e l s neuerdings wieder glaubhaft gemacht hat, die Hauptstraße noch Köpenick als der ursprünglichen Übergangsstelle in den Barnim und nach Zossen, dem einen wichtigen Tor in die Lausitz neben Mittenwalde als zweitem. Die Karte zeigt uns, wie ursprünglich einmal die ganze Straße Saarmund – Zossen über den wichtigen Wietstocker Zingeldamm in regelmäßigen Abständen durch Dorfsiedlungen besetzt gewesen ist. Und gerade diese gleichmäßige Überziehung des Landes mit Dörfern ist ein Charakteristikum der deutschen Kolonisation, wenn auch dieser Schematismus mit daran schuld gewesen ist, dass manche Dörfer nicht auf die Dauer lebensfähig waren. Wie Dahmsdorf und Werben an unserer Straße bald wieder wüst geworden sind, so geschah es etwa Melwendorf zwischen Sputendorf und Großbeeren an der Köpenicker Straße. Und immer werden die Ursachen die gleichen gewesen sein. Einmal ist es Wassermangel gewesen, der die Bauern von ihrer Scholle getrieben hat. Wir haben eine ganze Reihe von Anzeichen, dass in der Kolonisationszeit der Grundwasserspiegel in unseren Gegenden höher lag als heute oder mindestens gleich hoch und so günstige Ackererträge auch auf sandigeren Böden ermöglichte. Die starke Waldrodungstätigkeit der deutschen Bauern, die ja mit ihren Siedlungen auch auf die Höhen gingen und auch die schweren Böden unter ihren starken Eisenpflug nahmen, senkte unzweifelhaft den Grundwasserspiegel, vielleicht muss man aber auch mit leichteren Klimaschwankungen rechnen. Und so ist es durchaus begreiflich, dass Dorfsiedlungen auf höher gelegenem Acker sich bald so unrentabel zeigten, dass ihren Bewohnern nichts anderes übrig blieb, als sich anderswo eine bessere Brotstelle zu suchen. Die meisten Wüstungen unserer Heimat dürften so entstanden seien, aber auch die Verödung von Dörfern infolge Verödung der durch sie hindurch führenden Landstraßen ist nicht ganz von der Hand zu weisen. W e l s hat gute Beispiele für die Berechtigung dieser Meinung gegeben und besonders darauf hingewiesen, dass mit der Gründung Berlins und seiner zunehmenden Bedeutung als Brückenort für den Übergang vom Teltow zum Barnim das Wegesystem in diesen Landschaften sich grundlegend ändern musste. Auch in Dahmsdorf, Werben und Melwendorf, die ich oben im gleichen Zusammenhang erwähnt habe, ließe sich an diese Ursache für ihr Wüstwerden denken, weniger an kriegerische Ereignisse. Im Laienkreisen findet man auch heute noch öfter die Vorstellung, unsere Dörfer seien etwa in den Hussitenkriegen oder dem 30jährigen Kriege zugrunde gegangen; das ist falsch. Selten ist ein Dorf nach dem 15. Jahrhundert noch wüst geworden. Also kriegerische Vernichtung scheidet aus, wenngleich nicht zu bestreiten ist, dass die überhandnehmenden Raubzüge des Adels um 1400 sicherlich viel dazu beigetragen haben, die Widerstandskraft der Bauern zu schwächen. …
…Als Abschluss meiner Ausführungen setzt sich nach dem Vorbild von S p a t z die Zeichnung aus der um 1270 angefertigten Handschrift des Sachsenspiegels in der Heidelberger Universitätsbibliothek hinterher, die uns die Anlage eines Dorfes in Ostdeutschland zeigt. (Abb. 4) „Der Grundherr mit fein geschnittenem Gesicht, angetan mit einem langen Leibrock, das Haar gekräuselt und mit einem Seidenband geziert, übergibt dem Siedelmann (Lokator) die Urkunde mit anhängenden, dreieckigem Siegel: Ego die gratia do – Ich von Gottes Gnaden gebe *) – so lautet die Aufschrift, die in formelhafter Kürze auf die damaligen Bräuche hinweist. Der Siedelmann im Knierock, Bundschuhen, auf dem Kopf den Wanderhut, ist auch im Gesichtsschnitt als minder edel kennzeichnet. Das gleiche gilt von den Bauern, die schon die Arbeit beginnen. Ihre Kleidung besteht aus einem geschlitzten Knierock und Bundschuhen, die Haare tragen sie halblang. Mit eisernen Hacken … hacken sie die Urwaldbäume aus. Bezeichnend ist das Ausroden der Bäume samt Wurzelballen. Auch das Fachwerkhaus wird bereits aufgezimmert. Der Siedelmann wird künftighin der Dorfschulze zu sein.“
Ähnlich wird es vor 700 oder gar etwas mehr Jahren auch auf der Stelle des alten Dahmsdorf gewesen seien; doch das Glück war dem Orte nicht hold. Fünfhundert Jahre lang lag der Platz trotz eines kräftigen Wiederbelebungsversuches unter dem Alten Fritzen so gut wie tot da, bis in neuester Zeit eine allerdings ganz anders geartete Siedlungstätigkeit einsetzte und dem Ort zu neuem Leben verhalf.
*) Text nach F r e n z e l (Vorgeschichtliches Bilderhandbuch der Oberlausitz). Richtiger muss wohl wie bei S p a t z do(minus) = Herr ergänzt werden.
Quelle: Beilage „Heimat und Ferne“ des Teltower Kreisblatt vom 20.02.1933 – „Auf den Spuren der ersten deutschen Kolonisten in Ludwigsfelde – Dahmsdorf“ v. Karl Hohmann