Vielen Ludwigsfeldern ist sicher bekannt, dass es auch in der sozialistischen Ära im Ort eine ganze Reihe von privaten Versorgungs-, Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben gab. Nicht alle wissen aber, dass auch eine Mosterei darunter war. Allerdings lag sie auch etwas versteckt im Block I in der Ahornstraße. Ich hatte die Möglichkeit, mit der Enkelin des Gründers über ihre Erinnerungen an den Betrieb zu reden.
Paul Höth stammte aus Triestewitz bei Torgau. Er erlernte den Beruf eines Brennmeisters. Eine im ersten Weltkrieg zugezogene Verletzung ersparte ihm später die Teilnahme am II. Weltkrieg.
Er zog irgendwann nach Berlin-Lichtenberg. Hier hat er dann wohl von dem Angebot an Grundstücken im idyllisch gelegenen Ludwigsfelde erfahren. 1934 erwarben er (inzwischen verheiratet) und seine Frau ein Grundstück von 1001 m² zum Preis von etwa 2500 RM in der Ahornstraße. Zusätzlich waren auch noch 100,10 RM als „Ansiedlungsgebühr“ zu entrichten. Erschließungskosten gab es damals auch schon. Höth musste insgesamt 600 RM in monatlichen Raten von 3 RM in die Straßenbaukasse einzahlen. Die beiden errichteten sich eine Laube, bauten sie etwas aus und wohnten nun hier glücklich und zufrieden. 1941 wurde ihr Grundstück ans örtliche Stromnetz angeschlossen, was sicher ein Grund zum Feiern war.
Den Krieg überlebten die beiden zwar unbeschadet, aber nun galt es, einen Neuanfang zu schaffen. Arbeit und Lebensmittel waren knapp bis nicht vorhanden – es musste eine Lebensgrundlage her. In einer Aufstellung aller in der Gemeinde Ludwigsfelde befindlichen Betriebe sowie Vertreter der freien Berufe (an die 200 waren es zu jener Zeit) vom 20.08.1946 ist Paul Höth als Inhaber einer Branntwein-Brennerei aufgeführt. Ob er jedoch wirklich Branntwein gebrannt hat oder hier lediglich sein erlernter Beruf Pate gestanden hat, ist nicht klar.
In der Genshagener Straße besaß er noch ein weiteres Grundstück zu landwirtschaftlichen Zwecken u.a. zum Anbau von Zuckerrüben. Damit ist auch der Übergang zu dem, aus den noch vorhandenen Unterlagen erkennbaren, ersten Betrieb von Paul Höth gelungen. 1948 hat er beim Zollamt eine Genehmigung zur Herstellung von Sirup und Marmelade beantragt. Er beabsichtigte, täglich etwa 200 kg Rüben zu verarbeiten. Die erforderliche Ausrüstung muss vorhanden gewesen sein, denn im Antrag schrieb er, dass er sofort beginnen könne, wovor ihn das Zollamt aber in einer ersten Antwort ausdrücklich warnte „wenn er sich nicht der Steuerhinterziehung schuldig machen wolle“. Der Betrieb wurde schließlich genehmigt und 1949 durch den Anbau eines Dampfkesselhauses auch ein wenig erweitert. Zwischen 1952-56 beschäftigte er in seiner „Syrupkocherei“ 3 Angestellte.
Etwa um den Beginn der 60-er Jahre begann Paul Höth mit dem Betrieb einer Mosterei. Die Bürger konnten ihre Apfelernte abgeben und erhielten dafür eine angemessene Menge an Most gegen Bezahlung des Arbeitsaufwandes. Höth verkaufte auch den aus eigener Ernte gewonnen Most.
Das Herstellungsverfahren damals sah folgendermaßen aus: Das Obst kam zunächst in die Wäsche, wurde dann gehäckselt, kam in eine große manuelle Presse. Der gehäckselte Brei wurde dabei in einen mit einem Tuch ausgelegten Holzrahmen gefüllt, die Ränder des Tuchs zugeschlagen, der Rahmen entfernt und ein Holzgitter daraufgelegt. Darauf kam dann wieder der Holzrahmen mit dem Tuch usw. bis mehrere dieser „Kuchen“ durch Holzgitter getrennt übereinander lagen. Diese wurden schließlich mit einer Spindel mit großem Holzrad oder langen Hebeln von Hand gepresst. Der gepresste Saft wurde danach gefiltert und in einem großen Sammelbehälter zwischengelagert, aus dem er in Flaschen gefüllt wurde.
Schließlich wurden die Flaschen, in einem großen Kessel stehend, mit Hilfe heißen Dampfes haltbar gemacht und mit einem altbekannten roten Gummideckel verschlossen.
Für die Erzeugung des Dampfes war ein extra Dampfkessel zuständig. Von diesem aus wurden über Rohre die heißen Dämpfe zu den Einweckkesseln für die Flaschen geleitet. Zum Schluss wurden sie noch etikettiert. Leider sind keine dieser Etiketten erhalten geblieben.
Ab und an wurde auch Obstwein hergestellt.
Herr Troscheit, Elektromeister mit Werkstatt am Bahnhof, war ein enger Freund von Paul Höth und auch Taufpate für seine Enkelin. Dank seiner Bastelleidenschaft konnten Hydraulikteile eines Flugzeugwracks in einer Obstpresse verbaut werden.
In den siebziger Jahren gab Paul Höth seinen Betrieb schließlich auf.
An dieser Stelle und zum Schluss noch ein Rezept für leckeren Sirup zum Nachkochen:
Quellen:
- Erinnerungen von der Enkelin Paul Höths, Frau Bech
- Gehrmann: Industrie in Ludwigsfelde 1936-1989, Heft 2, Klein-, Mittel- und Kommunalbetriebe
- Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Frau K. Bech