Der aufmerksame Leser unser Chronik mag vielleicht über einen kurzen Eintrag gestolpert sein, dass in unserer Gegend mal eine Heuschreckenplage geherrscht haben soll. Kann das denn sein? Kennt man doch nur aus Afrika. Nun, eine Tageszeitung aus jener Zeit berichtet jedenfalls recht anschaulich davon:
Die Heuschrecken im Teltower Kreise. Es ist ein großes Unglück, schreibt ein Berliner Korrespondent der „N. Fr. Presse“, das durch die Heuschrecken über einen Theil des Teltower Kreises gekommen ist. Ich fuhr heute, um zu sehen, was sich eigentlich zugetragen, nach dem drei Meilen von hier entfernten Ludwigsfelde und von da weiter zunächst nach Kerzendorf, einem Rittergute des Kommerzienrathes Schwabach. Auf dem Wege dorthin passierte ich ein Stoppelfeld, bei dessen Durchschreiten ich mit jedem Schritte 40, 50 Heuschrecken vor mir auffliegen sah. Je näher ich Kerzendorf kam, um so wirrer wurde das Geschwirre der zum größten Theile bereits ausgewachsenen und flügge gewordenen Insekten. Die eine Hälfte ist mit hellbraunen, die andere Hälfte mit grasgrünen Flügeln versehen. Sie haben eine Länge von zwei Zoll. Auf dem Rittergut erfuhr ich, daß auf dem von mir zurückgelegten Weg die dichtesten Massen sich noch gar nicht aufhalten; ich berührte deßhalb die Feldmarken der Dominien Genshage und Löwenbruck, wo freilich, wie ich mich überzeugte, die Schwärme doch nicht so ausgedehnt waren, wie auf anderen Theilen des Dominiums Kerzendorf, die ich beim Zurückgehen nach Ludwigsfelde durchstreifte. Mein Führer rieth mir, querfeld über Kartoffeln und durch Hafer zu gehen. Da gewahrte ich, daß sich die Heuschrecken geradezu nach Millionen eingenistet haben. Auf den in Hocken zusammengelegten Garben fanden wir an jedem Halm 10, 12 Stück, von denen viele gerade im Entpuppungsprozeß waren. Sie haben das Getreide wie den Hafer stark geschädigt. Die Leute sind bemüht gewesen, vor der Zeit einzuernten, bloß damit die Unholde nicht weiter Nahrung finden; allein sie haben auf dem Felde noch so viel zu fressen, daß sie vor Beendigung der ganzen Ernte nach 8, 14 Tagen vollständig ausgewachsen und in der Lage sind, die drei Rittergüter für’s nächste Jahr noch viel mehr zu schädigen, wie in diesem. Die Heuschrecken gehen nicht den Menschen und nicht das Thier an. Ich stieß auf zwei arbeitende Mähmaschinen, deren jede mit zwei Pferden bespannt war. Die Heuschrecken flogen vor den Pferden auf und setzten sich im ungemähten Getreidefeld wieder nieder. Auf den Kartoffelfeldern haben sie die Blüthen, mit Vorliebe die aufrechtstehende Mittelblüthe abgefressen und die horizontal auslaufenden Blüthen geschont. Freilich sind stellenweise die ganzen Blüthenkronen abgefressen. Selbst junge Schonungen haben die Insekten aufgesucht. Die Bauern und die Gutsbesitzer stehen rathlos da; sie warten auf gute Rathschläge klügerer Leute.
Quelle: Tiroler Bote v. 31.07.1875